Die Wessel-Krueger-Schwenker-Rohlfing Familie | |||||||||||
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Geschichten» Alles anzeigen «Zurück 1 2 » Diaschau Unsere Flucht aus Ostpreußen und die folgenden Jahre von Monika Brinkmann, geb. Wessel Dieser Beitrag wurde 1995 vom WDR im Buch "Der Mensch, der mir geholfen hat" veröffentlicht. Monika Brinkmann Ich habe eine gute Flucht gehabt Von meiner Mutter und meinen Großeltern hörte ich die folgende Geschichte, an die ich denken muss, wenn mir dieser silberne Löffel in die Hände fällt. Es war in Ostpreußen im Januar 1945. Als der Aufruf kam, daß die Deutschen doch vorläufig ihre Städte verlassen sollten, da die russischen Soldaten schon sehr nahe waren, verließ auch meine Mutter unsere Wohnung in Mohrungen. Mit dem Gedanken, bald wieder zurückkommen zu können, nahm sie nicht sehr viel mit. Es waren die Sparbücher und nur wenig Schmuck, den sie an sich trug. Außerdem einige Kleidung im Rucksack und Koffer und der silberne Löffel, um mich zu füttern. Meine Mutter konnte wohl auch gar nicht mehr tragen, denn sie hatte drei kleine Kinder. Das waren meine älteren Zwillingsbrüder, die fast fünf Jahre alt waren, und ich mit meinen zweieinhalb Jahren. Außerdem war sie im siebten Monat schwanger. Von Mohrungen fuhr meine Mutter mit uns mit dem Zug nach Danzig zu ihren Schwiegereltern. Eigentlich hätte der Zug nur einige Stunden für die Fahrt benötigt, aber er wurde oft stundenlang auf Nebengleise gestellt, damit andere Züge vorbeifahren konnten. Nach zwei Tagen beschwerlicher Fahrt kamen wir müde und hungrig in der Nacht bei meinen Großeltern an. Meine Mutter hatte ganz dicke Beine und war sehr schwach. Oma und Opa waren völlig überrascht, als wir ankamen. Sie selbst waren gerade dabei, sich Rucksäcke zu nähen und diese zu packen, weil sie am nächsten Morgen auch aus Danzig fliehen wollten. Meine Großmutter arbeitete damals bei der Krankenkasse, und sie wusste, dass am Morgen ein letzter Lazarettzug aus Danzig abfuhr. In diesem Zug hatte sie sich ein Bett und einen Stuhl reserviert. Diese beiden Plätze überließen meine Großeltern nun uns. Obwohl meine Mutter anfangs dagegen war, noch einen Schritt weiterzugehen, fuhr sie doch in dem letzten Zug mit, der in Hameln seine Endstation hatte. In dieser Stadt wurden die Flüchtlinge in die umliegenden Dörfer verteilt. Wir wurden nach Demkerbrock gebracht. Bei einem Bauern bekamen wir ein Zimmer. In diesem Zimmer konnte meine Mutter nicht heizen und schon gar nicht kochen. Zu allem Ãœbel war es Januar und sehr kalt. Meine Mutter saß da und weinte. Als ein Herr Budde sie so sah, nahm er sie mit zu sich nach Hause. Bei Buddes hatten wir zwei Zimmer. In einem stand ein großer Kachelofen. Familie Budde hatte zwei Kinder, die einige Jahre älter waren als wir. Herr Budde war, neben seiner Landwirtschaft, noch Hausschlachter und Milchkontrolleur. Durch seine Berufe kannte er sehr viele Leute in Demkerbrock und in anderen Dörfern. Er holte von seinem Bekanntenkreis Betten, Hausrat und Bekleidung. Im Dorf war ein Tischler. Der baute ein komplettes Schlafzimmer, einen Tisch und vier Stühle für uns. Eine andere Frau nähte für uns. Onkel Budde holte mit seinem Pferdefuhrwerk Holz zum Brennen vom Förster. Ende Februar kam Muttis Mutter zu uns. Durch das Rote Kreuz hatte sie erfahren, wo wir wohnten. Muttis Vater war auf der Flucht gestorben. Ende März wurde meine Mutter von Zwillingen entbunden. Es war ein Pärchen. Die Geburt erfolgte in einer als Lazarett umgebauten Gaststätte in Hemeringen. Zu der Zeit waren die Amerikaner schon in der Nähe. Auch für die neuen Babys besorgte Onkel Budde Babywäsche von Verwandten und Bekannten. er baute ein kleines Bett und sorgte für sie wie ein Vater für seine Kinder. Ãœber zwei Jahre wusste meine Muter nichts von unserem eigenen Vater, der in russischer Gefangenschaft war, wie wir später erfuhren. Sie hatte auch noch keine Verbindung zu anderen Verwandten bekommen. Meine jüngsten Geschwister waren noch nicht getauft worden, weil es keine Taufpaten gab. Dies gefiel den Buddes gar nicht. Sie sagten zu unserer Mutter:"De Kinner müet gedopt weren!" Daraufhin haben Onkel und Tante Budde die Patenschaft für die beiden übernommen. Schließlich kam unser Vater aus der Kriegsgefangenschaft wieder nach Hause. In Minden fand er Arbeit, und so zogen wir 1948 dorthin. Die Verbindung zu Buddes besteht heute noch. Am 89. Geburtstag von Onkel Budde haben wir ihn noch besucht. Sein 90. Lebensjahr hat er nicht mehr erlebt. Meine Mutter war überaus dankbar für die große Hilfe, die sie bei ihren Schwiegereltern, bei ihrer Mutter und vor allem bei Familie Budde bekommen hatte. Immer, wenn das Thema Flucht angesprochen wurde oder wir danach gefragt haben, sagte sie: " Ich habe eine gute Flucht gehabt!"
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